- Haie: Lebensweise der Knorpelfische
- Haie: Lebensweise der KnorpelfischeHaie gehören zu den ältesten lebenden Wirbeltieren der Erde. Die zu den Knorpelfischen gehörenden Haie leben bis auf Wal- und Riesenhai, die sich von Plankton ernähren, räuberisch. Sie sind in allen Meeren zu finden, einige Arten dringen sogar in Süßwasserbereiche vor. Die meisten Haiarten sind Hochseebewohner, einige finden sich auch in Küstenbereichen, wo sie dem Menschen gefährlich werden können. Besonders ausgeprägt ist ihr Geruchssinn, über die »lorenzinischen Ampullen« nehmen sie jedoch auch die elektrischen Spannungsfelder wahr, die von der Beute ausgehen. Je nach Art gebären Haie lebende Junge oder legen Eier, die bereits weit entwickelte Embryonen enthalten.Nur 44 der 380 bekannten Haiarten können dem Menschen gefährlich werden. Normalerweise greifen die Tiere nur an, wenn sie sich bedroht fühlen; oft verwechseln sie ihr Opfer auch mit einem Beutetier.Haie sind nicht nur zunehmend als Speisefische begehrt, sondern liefern auch Produkte für Pharma- und Kosmetikindustrie und die biomedizinische Forschung.Überlebenskünstler seit JahrmillionenHaie gab es schon im Mitteldevon vor rund 380 Millionen Jahren — lange bevor die ersten Saurier die Erde bevölkerten. In einer Jahrmillionen währenden Entwicklung haben sie sich perfekt an den Lebensraum Wasser angepasst; viele der heute noch vorkommenden Gattungen existieren fast unverändert seit über 60 Millionen Jahren.Haie sind in allen Meeren der Welt zu finden, von der Arktis und Antarktis über die gemäßigten Breiten bis zu den Tropen. Es gibt sogar Arten wie den Grundhai und den Gangeshai, die in Süßwasserbereichen vorkommen. Die meisten Haie leben auf hoher See, manche dringen jedoch auch in Küstennähe vor, wo sie unter Umständen dem Menschen gefährlich werden können.Körperbau und ErnährungsweiseHaie gehören zur Klasse der Knorpelfische, deren Innenskelett — im Gegensatz zu den Knochenfischen — aus Knorpel besteht. Der Körper ist meist torpedoförmig, es gibt aber auch Arten, die Rochen ähneln. Die spitzen, scharfen, nach hinten gerichteten Zähne erneuern sich ständig durch Nachrücken dahinter liegender Zahnreihen. So ist sichergestellt, dass das Werkzeug für den Beutefang intakt bleibt. Die meisten Arten leben räuberisch; lediglich Wal- und Riesenhai bevorzugen Plankton, das sie aus dem Wasser filtern.SinnesleistungenUm erfolgreich Beute machen zu können, muss das Gehirn der Haie in der Lage sein, eine Fülle von chemischen, optischen, akustischen, mechanischen und elektrischen Sinneseindrücken gleichzeitig zu verarbeiten. Geräusche, wie sie das Zappeln eines verwundeten Fisches verursacht, locken Haie, deren Gehör sich auf niedrigere Frequenzen als das des Menschen spezialisiert hat, aus großer Entfernung an. Mithilfe von Riechgruben an der Schnauze spüren sie chemische Substanzen aus Blut und Fleisch in unglaublich geringen Konzentrationen auf: Einige Arten der Riffhaie beispielsweise können im Wasser befindliche Fleischextrakte noch in einer Verdünnung von eins zu zehn Milliarden riechen.Darüber hinaus können Haie elektrische Spannungen wahrnehmen, wie sie etwa vom Herzschlag oder von Muskelkontraktionen der Beute ausgehen. Das Sinnesorgan dafür — die »lorenzinischen Ampullen« — besteht aus winzigen, gallertgefüllten Kanälchen, die mit Nerven versehen sind und auf elektrische Stimulationen reagieren. Dieses Organ befindet sich in der Schnauzenregion, um den Unterkiefer und die Augen verteilt und ist an der Hautoberfläche als dunkle Porenöffnungen zu erkennen. Obwohl man schon lang von der Existenz der lorenzinischen Ampullen wusste, wurde erst 1962 klar, dass sie zur Wahrnehmung schwacher elektrischer Felder und damit dem Beutefang dienen. Ob sie darüber hinaus eine Orientierung im Erdmagnetfeld ermöglichen, ist noch nicht bewiesen.Während sich die meisten Fischarten durch Eier vermehren, die im Wasser besamt werden, paaren sich Haie wie höher entwickelte Wirbeltiere auch. Bei einigen Arten werden die befruchteten Eier, die von einer ledrigen Schutzhülle umgeben sind, ins Wasser abgelegt, wo sich die Embryonen weiterentwickeln.Viele Haiarten bringen jedoch lebende Junge zur Welt, die in einer gebärmutterähnlichen Erweiterung des Eileiters herangewachsen sind. Da Haie erst mit zehn bis zwölf Jahren geschlechtsreif werden und, nach einer Tragzeit von drei Monaten bis einem Jahr, lediglich zwei bis 20 Junge pro Wurf bekommen, geht ihre Vermehrung relativ langsam vonstatten. Ein extremes Beispiel ist der in der Nordsee heimische Dornhai, der erst mit 25 Jahren geschlechtsreif wird und seine Jungen nach einer Tragzeit von fast zwei Jahren zur Welt bringt.Systematischer ÜberblickWissenschaftlich werden Haie (Ordnung Selachimorpha) in die Unterordnungen Kammzähner (Notidanoidea), Kragenhaie (Chlamydoselachoidea), Stierkopfhaie (Heterodontoidea), Echte Haie (Galeoidea), Stachelhaie (Squaloidea), Sägehaie (Pristiophoridea) und Meerengel (Squatinoidea) eingeteilt.Kammzähner und Kragen- oder Krausenhaie sind altertümliche Formen, die sechs bis sieben Kiemenspalten und nur eine weit zurückgesetzte Rückenflosse haben. Die Zähne der Kammzähner sind, wie der Name andeutet, in Form von Sägeblättern angeordnet. Der Name des Kragenhais geht auf die halskrausenartigen Kiemenscheidewände zurück. Stierkopfhaie sind durch einen plumpen Körper gekennzeichnet; sie besitzen fünf Kiemenspalten und zwei Rückenflossen. Da sie sich von Muscheln und Schnecken ernähren und ganze Austernbänke vernichten können, sind sie bei den Austernfischern verhasst. Wichtigster Vertreter der Stachelhaie ist der im Nordatlantik heimische Dornhai, der auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung für den Fischfang ist.Sägehaie und Meerengel markieren bereits den Übergang zu den Rochen. Während die Sägehaie mit ihrer stark verlängerten und beiderseits mit Zähnen besetzten Schnauze den Sägefischen ähneln, von denen sie sich durch die Lage der Kiemenspalten unterscheiden, ist der Körper der Meerengel abgeplattet, Brust- und Bauchflossen sind verbreitert.Die größte Unterordnung bilden die Echten Haie, die 12 Familien umfassen. Kennzeichen sind fünf Kiemenspalten, meist zwei Rückenflossen, eine Analflosse und eine torpedoförmige Gestalt. In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten Vertreter vorgestellt.Wie gefährlich sind Haie für den Menschen?Furcht einflößende Gebissabdrücke an Surfbrettern, vor Entsetzen kreischende Menschen am Strand, weiße Monster, die sich in den Tiefen des Meeres an Taucherkäfigen die Zähne ausbeißen — Gruselbilder wie diese tauchen bei dem Gedanken an Haie bei vielen Menschen vor dem inneren Auge auf. Dabei beruhen die von Film und Fernsehen gelieferten Schreckensszenarien häufig auf gezielter Provokation der Tiere mit blutigen Ködern oder sind sogar mithilfe von Tierattrappen zustande gekommen. Filme wie »Der weiße Hai« (1974/75), in dem der Hai zu einer mordenden Fressmaschine gestempelt wurde, oder »Deep Blue Sea« (1999) spielen mit den Ängsten der Zuschauer und vermitteln ein völlig falsches Bild von den Haien. Tödliche Unfälle durch Haiangriffe sind relativ selten: Dem »International Shark Attack File« (ISAF) werden jährlich nur 50 bis 75 Angriffe von Haien gemeldet, von denen lediglich fünf bis 15 tödlich verlaufen. Den Unfallberichten zufolge werden nur 44 der 380 Haiarten dem Menschen gelegentlich gefährlich. Normalerweise attackieren Haie Menschen nur, wenn sie sich gestört und bedroht fühlen oder wenn sich wie nach einem Schiffs- oder Flugzeugunglück viel Blut im Wasser befindet. Die gezielten Angriffe auf Taucher oder Surfer, von denen immer wieder berichtet wird, scheinen auf einer Verwechslung zu beruhen: Aus der Sicht der Haie ähnelt ein auf einem Surfbrett paddelnder Mensch nämlich einer Robbe.Wie gefährlich ist der Mensch für die Haie?Die Bedrohung der Haie durch den Menschen ist ungleich größer: Von 100 befischten Haiarten sind elf vom Aussterben bedroht, 70 weitere gelten als gefährdet. Schätzungen der Welternährungsorganisation zufolge sterben jährlich 100 Millionen Haie durch die industriellen Fischfangmethoden wie die Langleinen- und Treibnetzfischerei. Dabei galten Haie früher meist als unnützer Beifang, der wieder über Bord geworfen wurde. Aber mit dem Abnehmen der Bestände traditioneller Speisefische gerieten sie mehr und mehr ins Blickfeld der Fischindustrie. Angeboten werden Haisteaks, die geräucherten Bauchlappen (»Schillerlocken«) sowie das Rückenfilet (»Seeaal«) des Dornhais und schließlich Haifischflossen, die in Asien als besondere Delikatesse gelten. Welch große Bedeutung Haie für das ökologische Gleichgewicht im Meer haben, wird an folgendem Beispiel deutlich: Vor Tasmanien und Australien nahmen die Tintenfische wegen der Überfischung der Haie derart zu, dass die Zahl der Hummer, von denen die Tintenfische leben und die auch bei den Fischern begehrt sind, drastisch zurückging. Haiprodukte finden auch in der Pharma- und Kosmetikindustrie Verwendung. Das in vielen Hautcremes enthaltene Collagen wird aus den Knorpelskeletten gewonnen, und die Leber, die bei Haien bis zu 30 % ihres Körpergewichtes ausmachen kann, enthält ein Naturöl, das für Salben, Cremes und in der Feinmechanik eingesetzt wird. Die biomedizinische Forschung interessiert sich für die Hornhaut des Haiauges, die als Transplantat für den Menschen erprobt wird. Das Haiblut enthält Substanzen gegen Verklumpung des Blutes, und Leberöl scheint die Produktion von weißen Blutkörperchen anzukurbeln. Unseriös sind dagegen die »Antikrebspillen« aus getrocknetem Haiknorpel, die vor allem in den USA und Europa angeboten werden. Um dieses vollkommen wirkungslose Mittel herzustellen, verarbeitet allein einer der Hauptproduzenten in Costa Rica täglich mehr als 200 Haie.Haie und Rochen, Beiträge vonJacques-Yves Cousteau und Philippe Cousteau: Haie. Herrliche Räuber der See. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe München 1986.Hans Hass und Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Wie Haie wirklich sind. München 41991.Angelo Mojetta: Haie. Biografie eines Räubers. Aus dem Englischen. Hamburg 1997.
Universal-Lexikon. 2012.